Eine Ode an die Heimat: Montagsfrust, Abschiedstrauer, Kevin Großkreutz und Martin Luther … King?

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Montagsfrust
Montage können so niederschmetternd sein. Ich erinnere mich noch als ob es gestern gewesen wäre. 6:15 Uhr, der Wecker klingelt. Gebetsmühlenartig stelle ich ab diesem Zeitpunkt den Alarm nach jeder zweiten Minute, zwei Minuten später, um sich somit sein eigenes morgendliches Grab zu schaufeln. Um 6:30 kommt der jugendliche Kadaver zur Besinnung, das Blut schießt mir endlich durch meine unverkennbare dicke Stirnader und ich denke mir nur wer mich heute wieder schief gewickelt hat. Als nächstes jagt mir ein Zitat eines holländischen Kultfußballers durch den Kopf, der bei Regen aussieht wie ein nasser Hund und noch dort Fußball spielt, wo Käfern das Fahren gelehrt wurde. Es passt zu meinem Wochenende: „Nicht leicht, es war schwer.“ Dennoch schwinge ich mich nach – es war leider nötiger – verkürztem Badaufenthalt auf mein grünes schweres Tankstellenfahrrad. Ich denke mir noch auf dem Weg zur Bushaltestelle: Meine Mitschüler werden mir den hygienischen Fauxpas verzeihen, wenigstens sind die Zähne geputzt. Im Moment, in dem ich diesen Gedankengang beendet habe, fährt der Bus vor der Nase meines Vorderreifens ab. Der Schreck fährt mir in meine immernoch verschlafenen Glieder. Dann lege ich vorne den dritten und hinten den siebten Gang ein und trete voller Stolz in die von 21 Gängen unterstützten Pedale. Nein, soviele Gänge gibt’s nicht bei AMG, bei keinem SLS dieser Welt und bei keinem R8 dieser Galaxie, nur bei meinem galaktischen knallgrünen pininfarina. Der Stolz wird zu Mut als ich merke, dass ich im Windschatten dem Bus tatsächlich näher komme. Doch leider verschwindet jeglicher Mut als der Bus abbiegt und ich eine kleine Steige auf der Würzbacher Hauptstraße zu bewältigen habe. Ich denke mir noch, „Mensch jetzt hast du bald dein Abitur aber fängst an den Tag vor dem Abend zu loben; und das am frühen MONTAG-Morgen – Narr“. Das Adrenalin schießt mir durch den noch labilen und phlegmatischen Kreislauf eines typischen Montagmorgens. Ich überquere den einzigen Zebrastreifen meines – immernoch bis zum heutigen Tage – geliebten Würzbachs. Er ist für mich in diesem Moment so etwas wie das zweideutige Alpe d’Huez meiner Gedankenwelt. Ich bin über’n Berg. Rotzfrech und mit Laktat in jeder Pore meines vom Wochenende entwässerten Körpers nehme ich jenem Bus die Vorfahrt, in welchen ich in 90 Sekunden einsteigen werde. Und womit nehme ich ihm die Vorfahrt? Genau lieber Leser dieses völlig absurden sowie bescheuerten Blogeintrags. Mit Recht… Tatsächlich überholt mich dieser verstunkene Linienbus, dessen Dieselabgase mir noch ein letztes Mal etwas zusetzt. Vielleicht findet in diesem Moment außer der jugendlichen Glückseligkeit auch noch die Rückreaktion der alkoholischen Gärung statt und der Alkohol in meinem Körper sagt sich: “ Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, mein Freund!“. Somit wird – endlich kann man auch sein Genasiomwissen anwenden – aus dem CO2 des Busses und dem Ethanol in meinem Blut wieder Glukose und ich kann mir durch diesen entstanden Zucker doch tatsächlich das Frühstück, welches ich vor Eile nicht zu mir nehmen konnte, sparen. Der Bus bremst ab und dessen langer Bremsweg kommt mir im wahrsten Sinne des Wortes entgegen. Der Busfahrer nimmt mich mit einem verwunderten Grinsen war, während ich mein Fahrrad hinter die Bushaltestelle lege. Liebevoll, wie eine Mutter ihr Neugeborenes hinlegen würde. Übrigens: Fahrradschlösser sind uncool und bei uns im hinteren Wald nicht nötig. Denn die Erfindung des Rades ist schon lange bis in den tiefsten Nordschwarzwald durchgedrungen, weshalb Räder keine Seltenheit sind – und meine abgefahrenen gleich zweimal nicht. Bei uns klaut mal viel lieber Weizengläser, schneidet Tornetze durch oder bricht in Sportheimen ein. Warum? Wahrscheinlich „weil’s voll gaail isch.“ Nichtsdestotrotz passiere ich den Vordereingang des Busses, ohne dem Busfahrer meine Fahrkarte zu zeigen. Man kennt sich. Bis Bad Wildbad habe ich Zeit über mein Fehlverhalten nachzudenken, meine zurückgewonnene Glukose zu verarbeiten und mich mental auf die Woche vorzubereiten. Das Laktat weicht der Glukose nach etwas mehr als der Hälfte meiner Montagsreise. Ich kann in jeder Sekunde dieses Morgens das Laktat verstehe. Ich meine nicht jeder verkraftet es wenn man sich dem Badener Land nähert und gezwungen ist in’s Enztal einzudringen. Sätze vom Pöbel wie „Alla guuud“, „Wie waas am wochaend in Kallsruuh“ oder „mach koine visemadenda, i hebb de doch geean“ fühlen sich an wie der Braunkohlebagger von RWE, der ohne Limit mir auf’s Trommelfell hämmert. Und das obwohl ich doch dachte, dass der Berg schon überquert sei, doch da habe ich meine Rechnung ohne das badisch verseuchte Enztal gemacht. Doch auch hier merke ich, dass jede Herausforderung ein Licht sein kann. Ich sage zu mir wild entschlossen: „Du bist Schwabe, du kannst alles außer Hochdeutsch. Also kannst du auch ein Licht sein in diesem dunklen Tal.“ Am Busbahnhof angekommen steige ich aus dem missklimatisierten Bus und friere mir an diesem Montagmorgen den Arsch ab – Entschuldigung hier schreibt man das „Aasch“. In der Schule angekommen fängt irgendwann der Erdkundeunterricht an. Überglücklich bin ich über fünf Mitstreiter, die sich mit mir in jede einzelne der neunzig bevorstehenden Minuten werfen und jede mit mir beginnen als ob es ihre letzte wäre. Unfassbar, das der Sepp Herberger von ’54 auch in diesem Moment eine Weisheit für uns Erdkundejungs parat hat: „[Jungs denkt daran: Die Erde] ist rund und [a Doppelstund‘] dauert 90 Minuten.“ Voll jugendlichen Tatendrangs beginnen wir also zusammen die Stunde und in der letzten Reihe schlagen wir uns die besten Geschichten vom Wochenende  nur so um die Ohren. Als auch die letzte und schäbigste Anekdote erzählt ist, welche immer noch spannender ist als die Kakofonie namens „Ein-Kind-Politik Chinas“ wird es auch bei uns ruhig und man hört die Regentropfen und die monotone Stimme des Lehrers. Innerhalb weniger Sekunden kippt die Stimmung und plötzlich registriere ich wie mich der graue Alltag, der düstere Montag einholt und schon eingeholt hat. Ich denke an melancholische Werke von Reinhard Mey: „Und dann
würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ In dem Moment denke ich Klartext: „Der Montag ist mir in diesem Moment etwas zu groß, ja er erscheint mir fast übermächtig und mein Wochenende ist mir jetzt auch noch zu wichtig, um es zu verlassen. Und was noch viel unvorteilhafter ist: Meine Augen werden tatsächlich immer kleiner.“ Und plötzlich irgendwann zwischen „Über den Wolken“ und „muß die Freiheit“ fielen mir doch tatsächlich meine Äuglein zu. – NAIV! – Ich wache auf und mir ist der jugendlichen Leichtsinn eines Schuljungen ins Gesicht geschrieben. Leider wache ich durch fremde Hilfe auf. Diese Hilfe ist mir tatsächlich fremd, denn es ist nicht das Kameradenschwein zu meiner Rechten, welches ich zuvor noch darum gebeten hatte mich im Falle des Einschlafens sofort wieder aufzuwecken. Wer ist es also? Die Brille vor dem Nickerchen abzuziehen war nicht mein klügster Schachzug. Also verlasse ich mich gezwungenermaßen auf meine Maulwurf-Sehkräfte und erkenne meinen schlimmsten Alptraum. Leider nicht Reinhard M. sondern mein Erdkundelehrer. Eigentlich ein netter Typ aber an diesem Montag morgen ist er zur falschen Zeit am falschen Ort. Oder bin ich das vielleicht etwa? Ich versuche mich selbst zu beruhigen und denke an ein Sprichwort unseres Altkanzlers, nein nicht der Schlot, sondern Helmut Kohl: „Für mich ist dieser Augenblick einer der glücklichsten in meinem Leben.“ Diese Polarität und Diskrepanz eines einzigen Moments vervollständigt die unglückliche Aneinanderreihung der Ereignisse, der Hochs sowie Tiefs und ist das letzte Puzzlestück. Das letzte Stück bevor mir mental die Lichter ausgehen und mir ab diesem Zeitpunkt alles um mich herum Jacke wie Hose ist. Es reicht, es ist mir von jetzt an alles Schnuppe. Meine Nerven sind Oberkante, Unterlippe strapaziert.
Ach so, bevor ich’s vergesse: Mein Fahrrad hab‘ ich auf dem Heimweg vergessen. „Isch mir doch wurschd, heud isch eh Monndag.“
Abschiedstrauer
Was hat ein solch semiperfekter Montag mit Abschiedstrauer zu tun. Meinen letzten Urlaub verbrachte ich über Neujahr auf Sansibar. Bitte beachte die Präposition. Von ihr hängen einige Liter Bier ab. Oder auch nicht. Jedenfalls traf man sich mit anderen Freiwilligen, um sich auszutauschen und deutscher deutscher Touri zu sein. Endlich konnte ich meine Rollen tauschen und der sein, der ich bin. In Shinyanga, in der Stadt in der ich seit August letzten Jahres arbeite habe ich mich inzwischen so sehr angepasst, dass ich einen Namen vom Stamm der Sukuma übernommen habe. Erschreckend. Deshalb bin ich inoffizieller Sohn des Pfarrers von einem Dorf, in dem weder Suaheli noch Englisch gesprochen. Und von Deutsch ganz zu schweigen. Hier wird Kisukuma gesprochen und ohne Strom gelebt. Das Leben, wie es sein sollte. Einfach und unkompliziert. Doch auf Sansibar war alles anders. Ein Urlaub der Superlativen und einer Touristengruppe, die Mallorca mit Sansibar, äh andersrum, verwechselten. Schwachköpfe! Wegen solchen Leuten gibt es Allgendreck und Kot im Swimmingpool. Einer von ihnen kam aus dem Nordschwarzwald, möglicherweise aus Altnuifra, und trug einen knalligen Deutschland-Hut, den er womöglich in der Gosse auf Mallorca gefunden hat. Ein anderer Altkanzler hätte gesagt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ Außer des Sonnenhuts trug er noch reichlich zu viel Sonnencreme, worin ihm sein kongenialer italoamerikanischer Kollege aus dem Siegerland namens „Don Sur“ ein – im wahrsten Sinne des Wortes – blendendes Beispiel war. Zur Sonnencreme gehörte dennoch der typisch deutsche rosenrote Sonnenbrand. Ein weiteres Gadget war eine Sonnenbrille, die man eben kaufte, da sie im Sommer sogar mit Brillenstärke für Maulwürfe angeboten wurde und bei Fielmann für 19,90 Euro ein MUSS war. „Das war ein Angebot, das man nicht ablehnen [konnte]“. Leider war diese Brille später der Grund, weshalb sich manche sechsköpfige Touristengruppe schämte sich mit dem F. Fielmann (Name teilweise geändert) blicken zu lassen. Doch dieser dachte sich entschlossen nach dem Motto eines schwäbischen Kulttrainers: „Mir doch wurschd“. Diese sechs männliche Touristennarren bildeten ein Team, was kaum zu beschreiben ist: Drei Menschen aus dem Siegerland. Einer tatsächlich dümmer als der andere, einem deutsch-kroatischen Waldhof Mannheim Fan, der an der nicht vorhandenen Vernunft seiner Mitstreiter eines Nachts fast verzweifelt ist und ein junger, angehender, aufstrebender, zukünftiger Theologe, der aus Bielefeld kommt. Spätestens jetzt sollten alle Alarmglocken bei, lieber Leser läuten. Ist das hier eine ganz dicke Lügengeschichte. Denn jeder weiß doch: Bielefeld gibt es überhaupt nicht. Oder doch? Komplettiert wurden sie von F. [Fiel]mann. Vom 29. Dezember des alten Jahres bis zum 8. Januar 2016 gab es übrigens fast kein Bier mehr auf Sansibar. Aber: Wer braucht schon Bier wenn man sich wegen der lieblichen Stimmen und der Vernunft des einfühlsameren anderen Geschlechts erfreuen kann. Wir ganz sicher nicht! So genoss man die teils gemeinsame Zeit in vollen Zügen bis man sich am Abend des 1. Januars von vier bezaubernden jungen Mädchen verabschiedeten musste. Sogar die sechsköpfige touristische Abschaumtruppe hatte den Anstand sich zu verabschieden. Die Mädchen hatten eine lange unerwartete Reise vor sich. Es ging Richtung „Einsamen Berg“ in den Norden Tansanias. Sie wollten sich ihre Vergangenheit wieder zurückholen. „Es tat im Herzen weh, eine großartiger als die andere“, meinte F. Fielmann. „Don Sur“ räumte tatsächlich ein: „Ein bisschen sind sie mir schon an’s Herz gewachsen.“ Doch kalt schob er hinterher, sie seien aber schließlich nicht zum Spaß auf Sansibar. Diese Aussagen wurden registriert, während der dümmste Student Deutschlands aus dem Siegerland volltrunken das Lied Rio Reißers grölte: „Das alles und noch viel mehr, würd‘ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.“ Allen war klar: Er konnte mit dem Abschiedsschmerz nicht umgehen und versuchte sich den Schmerz ertragbar zu trinken.  Des Abschieds nicht genug machte sich am nächsten Tag auch eine Kindergartenfreundin Fielmanns und deren Gefährtin vom Acker. Nach eigener Aussage hielten sie es „einfach nicht mehr aus. Dieser pubertäre, unreife Frevel von den selbsternannten deutschen deutschen Touris war unter aller Kanone. Fielmann hat sich seit dem Kindi kein Stück gebessert“ Entnervt strichen sie ihre Segel gen Dar es Salam, um dem Frieden entgegen zu segeln. Sechs Menschen, an zwei Abenden, die einfach wieder verreisten. Für mich waren es deren sechs zu viel, sodass ich in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar dachte. Nun muss sich was ändern. Von den Gedanken der Innovation geplagt schlief ich irgendwann ein. Doch ich war zu schwach beinahe unfähig, dass sinkende Schiff der Urlaubsfreude wieder auf sichere sansibarische Gefilde zurückzuführen. Was hätte ich machen sollen? (Hier kannst du lieber Leser deiner eigenen Kreativität freien Lauf lassen und mir eine mögliche Lösung des Problems per Kommentarfunktion auf meinem Blog hinterlassen oder aber per Mail auf florianfielmann äh florianaltmann96@gmx.de. Wenn du aber die Schnauze voll hast von diesem abartigen, flachen Humor mit doppeltem Boden dann kannst du deinen Frust mit Kraftausdrücken ebenfalls in der Kommentarfunktion abladen. Nur zu.)
Der Wendepunkt: Kevin Großkreutz, Martin Luther … King?
Am Sonntag, den 3. Januar schien die Welt noch in Ordnung. Um sich seelisch  von den Geschehnissen zu erholen machten wir eine 60km Radtour bis zur Südspitze der Insel. Auch der verwirrte Fielmann war dabei. Doch abends fühlte ich mich nicht so, wie man sich nach solch einer genialen Männer-Tour hätte fühlen sollen. Natürlich waren wir körperlich am Ende, aber selbst unser aller Serotoninspiegel war am Boden. Kein Glück, rein gar nichts. Keine Hoffnung, obwohl wir doch quasi am Kap der Guten Hoffnungs Sansibars waren. Der nächste Morgen war gekommen. Montag. Wortkarg saß ich mich an den Tisch, an den sich auch meine Jungs saßen. Ich aß ohne eine Miene zu verziehen die Banane, dann das spärliche Mangostückchen und zu guter letzt den Ananas-Fatzen. Mehr als das war es nicht an diesem sonnigen aber dennoch trüben Montagmorgen. Ich fing an mich an meinen Unmut über Montage aufzuregen und meine Stimmung spitzte sich zu. Bis zu diesem Moment: Oft heißt es ja, dass von der Technik alles schlechte kommt und früher sowieso alles besser war, aber an diesem Tag sagte ich entschlossen, entschuldigen Sie: „Drauf geschissen.“ Es war dieser Moment, als der zu Unrecht als dümmster Student Deutschlands geahndete Siegerländer seinem roten Kollegen namens El Locco Adi Dassler durch sein Smartphone verlauten ließ: „Hey, hey du, hey du! Hör mir mal, hör mir mal zu! Der Großkreutz, der ist doch tatsächlich zum VfB gewechselt!“ El Locco erwiderte unglücklich: „Der ist doch blöder als ich vermutet hatte. Wie kann man nur in die Regionalliga Nord zum VfB Lübeck wechseln? Sammal spinnt’s dem eigentlich?!?“ In dem Moment bekam er einen Schlag von Don Sur auf den Hinterkopf:“Hoffentlich fördert er das Denkvermögen! Wenn nicht –  dann geh in die Sonne und schäm‘ dich.“ Der DSD nur: „Nein zu den Stuttgartern.“ Im selbigen Augenblick realisierte auch ich, dass es war ist. Der Chai blieb mir in der Kehle stecken machte eine Kurve in Richtung Luftröhre und ich verschluckte mich so sehr, dass Don Sur auch mir einen Hieb verpassen musste. Dies führte er unter den Worten „liebe durch Hiebe“ aus. „Robinle“, schrie ich „du bisch doch nemme gscheid-Ächz-Hust-Kreuchz„. „Oder doch?!“ Ich fing an mich mich an den Helden Kevin Grosskreutz zu erinnern. Nicht den von den Medien falsch dargestellten, gescholtenen jungen Mann, der auf der Suche nach dem Glück von jenen, denen er am meisten vertraut zurückgelassen wurde. Ich fing an dem Helden von Marseille, dem Umbertopreisträger eine Chance in meinem Kopf und in meinem Herzen zu geben. Beide stimmten zu, als ich mich an das Championsleaguefinale in Londen erinnerte. Ein Spiel in meiner Kindheit, an dem meine Freunde und ich uns liebevoll und in feinster Handarbeit Grosskreutz-Masken bastelten. Während die Jungs immer noch diskutierten ob der VfB Lübeck irgendwann wohl vor Werder und Hamburg die Nummer eins im Norden sein wird, haute ich mit der Faust auf den Tisch und schrie Don voller Entschlossenheit und brüderlicher Liebe an: „Don! Grosskreutz hatte etwas zu ändern. Wir haben etwas zu ändern, um dieser Tristesse ein Ende zu bereiten.“ Don und ich gingen schnurstracks zum Haarschneider. Ich sagte ihm, dass ich den klassischen Olaseku haben möchte. Don:“Ja wie?“ Ich:“Ja Oben LAng und SEitlich KUrz. Kapiert?“ Herr Sur erwiderte:“Du Florris. Ich hab den Aufsatz vergessen. Der Haarschneider kann somit nicht zwischen der Haarlänge von 16mm und 1mm unterscheiden.“ Ich war wütend, da dies der nötigen Veränderungen ein Dorn im Auge war:“Mensch Don. Du hattest einen Job für Sansibar und zwar dein Rasierset mitzubringen. Dein Set, was bedeutet Maschine mit Aufsatz nicht ohne. Ich habe gesagt Set. Nicht nur den Rasierer.“ Don war von meiner Kritik sichtlich genervt und entgegnete: „Weißt du was. Mach dein Scheiß doch allein, mit deiner Bastelschere!!!“ Und wieder sah ich, dass die Stimmung zu kippen drohte. Ich sagte zu mir:“Denk nach!“ Ich holte tief Luft und merkte, wie um mich herum wieder alles grau wurde: Montage erfüllen einen mit Leere, obwohl sich alles drum herum weiterdreht und seinen normalen Lauf des Alltags nimmt. Dann konnte ich eine Idee greifen, ja gar berühren. Sie kam aus meinem tiefen Unterbewusstsein und drang in mein Auge, besser gesagt er, sein Gesicht des Aufschwungs, des Lichtseins rückte in mein Blickfeld. Der Sansiwirt, MK47. Mein Vorbild in so vielen wichtigen Dingen des Lebens, auch wenn wir manchmal sehr verschieden sind. Der, der mich schon seit meiner Kindheit in so vielem begleitet und mit dem ich viele Anekdoten teile. Ihm verdanke ich diese Idee. Seine Tonsur war nur der Anfang, dachte ich mir auf einmal. Trotz allem Gelächter, negativer Verwunderung, blankem Entsetzen und dem endlosen Gelästere – leider anfangs auch von mir ausgehend – über seinen erst kürzlich zu gelegten Stil. Es fing an, in mir zu arbeiten und mir ging ein Licht auf, das man entweder Führung oder Fügung nennen kann: „Wenn ich den Montag bekämpfen will, dann radikal oder ich muss es sein lassen. Also verjage ich den grauen Montag mit seinen eigenen Waffen. Ich müsste ein Botschafter der Leere sein aber dennoch zeigen, dass es um mich weitergeht“und da kam MKs Tonsur in’s Spiel. Für alle die es immer noch nicht geschnallt haben. Mein Kopf sollte die Botschaft ausdrücken, besser gesagt mein Haarschnitt. Also musste in’s Zentrum eine Leere her, während es drumherum bleibt wie bisher. Eine Tonsur eben. An einem Schaubild lässt sich das veranschaulichen:
 Unbenannt
Ich nahm Don Sur in den Arm, drückte und herzte ihn und sagte:“Es war die beste unbewusste Entscheidung deines Lebens diesen doofen Aufsatz daheim zu lassen. Sei stolz auf dich und lass uns eine Tonsur schneiden.“ Dons Augen wurden größer und größer voller Vorfreude und wir erinnerten uns nur an unsere Vorstellungen von Martin Luther aus den Religionsbüchern der siebten Klasse. Don meinte ganz trocken, dass er das Bild vor Augen habe und wie dafür geboren nahm er das Schneidgerät in die Hand und malochte wie ein Schalker Bub unter Tage. Es war kein Angstschweiß, vielmehr der Schweiß, den Revolutionäre haben müssen. Währenddessen wechselte das Stimmungsbarometer ausgehend von zu Tode betrübt bis hin zu himmelhochjauchzend. Wir sinnierten darüber, welch ein geniales Beispiel Martin Luther seiner Zeit gewesen sein musste. Ein Genießer des Bieres, des Deftigen, der Gemeinschaft, wie man sie sich am Stammtisch nur wünschen kann und eine Stilikone, die sicherlich seinesgleichen suchte. Zudem vergaß er nie das Wort Gottes und dabei sich selbst den Spiegel vorzuhalten, was er mit seiner Frisur unterstrich. Auch wir seien nun Licht auf dieser absolut muslimisch geprägten Insel Sansibars, die auf uns vermutlich schon Jahrzehnte wartete. Ob nun mit oder ohne Bier, das sei mal dahin gestellt sagten wir uns „aber jetzt lass uns rausgehen und der Welt zeigen, wo d Bardel d Moschd holld“. Durch dieses Ereignis wurde unsere Freundschaft nochmals zusammengeschweißt und gefestigt. „Es wird uns bis in’s Alter begleiten“, sagten wir uns. Dann marschierten wir heroischen Schrittes wie Phönix aus der Asche aus dem Badezimmer und aus dem Appartment, während unser weniges Haar im Meereswinde wehte. Don flüsterte mir noch das Zitat Herr Löws ins Ohr, bevor die anderen uns zu Gesicht bekamen:“Zeig der Welt, dass du [schöner] bist als Messi.“ Der Jubel draußen kannte dann keine Grenzen. Der Bielefelder Jung‘ grätschte mich erstmal voll Inbrunst um, während der Deutschkroate voller Freude seine Matratze vom Balkon in den Pool schmiss. Weitere Ereignisse waren, dass El Locco und DSD sich gegenseitig vor Aufregung und Freude über den Haufen rannten. Die Rastafaris und Hotelbesitzer jubelten dem Starfriseur Don Sur zu während ich, der seine Schizophrenie besiegt und den fiktiven Charakter F. Fielmann aus seiner Gedankenwelt verbannt hat, den Sansibaris versuchte zu erklären, dass Martin Luther wirklich vor Martin Luther King, ihrem Idol, lebte. Doch sei es drum. Martin Luther und Luther King wussten vermutlich beide, dass Montage kein Grund zur Panik seien, erst recht nicht, wenn jemand eine Tonsur trägt. Sie beide hatten Träume, waren Denker und Visionäre und auch wir setzten uns das Ziel die verbleibenden vier Tage alles in Bewegung zu setzen, um unsere Fußabrücke in Sansibars weiße Sandstrände auf ewig einzubrennen.
Was wir uns vornahmen gelang. Und Wolle Petry kennt jetzt auch auf Sansibar jede Sau.
Wer Schreibfehler findet, darf sie behalten. Doch dennoch hoffe ich, dass dir diese Anekdote gefallen hat und du irgendetwas gelernt hast. Jetzt lege ich mich nach der ersten durchgemachten Nacht auf diesem Kontinent schlafen. Viell. für 10 min, viell. für 15. Doch es war eben an der Zeit, da am Mittwoch Bergfest ist. Bergfest der Woche UND ein halbes Jahr Afrika.
In Liebe
Dein Freund
Alpi, Ralle, Florris, Flori
Eins noch, weil’s mir auf dem Herzen liegt 🙂 :
Philliper 4, 12-14 (natürlich Lutherübesetzung ihr Narren):
„Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beides, satt sein und hungern, beides, übrighaben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Jay sagt:

    „Um WAS?“

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    1. Um a Weize IN d Sansibar – aber zamme, also musch halt no warde

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  2. Jan sagt:

    Also do bisch mr abr no a Tonsurisches Fodo schuldig 🙂 ond dange fürs Lacha des konnt i mir nämlich nemme vergneifa! Bis bald

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    1. ich freu mich obacha !!!

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